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Was sind denn eigentlich Faszien?

Diese Frage wird mir sehr, sehr oft gestellt. Meine Versuche meine Klienten in das Geheimnis der Faszienanatomie einzuweihen, scheitern oft an der Komplexität. Ein Restfragezeichen, in Form einer gekräuselten Stirnfalte, bleibt zurück. Ich versuche es hier einmal so zu erklären, dass es auch wirklich Klick macht.

 

Also: Beginnen wir ganz von vorne.

 

Stellen wir uns einmal vor, wie der Körper denn ohne seine weißen Hüllen und Häute aussehen würde. Ganz einfach, nämlich so:

Zugegeben, das ist eine ziemlich strukturlos undefinierbare Masse. Fast schon ein bischen eklig. Und genauso würden unsere Muskeln aussehen hätten wir das Bindegewebe nicht, dass alles zusammenhält und in eine Form bringt. (In dem Wort Bindegewebe steckt schon die ganze Wahrheit. Gestaltungstechnisch kann man also das Bindegewebe auch als den Klebstoff des Körpers, oder auch als die Verpackung des Körpers bezeichnen.

 

Das Bindegewebe hat 5 Wichtige Aufgaben: (es gibt noch mehr, aber das sind die Wichtigsten)

 

1. Es formt den Körper

2. Es hält alles zusammen

3. Es sorgt für reibungslose Bewegung

4. Es richtet die Wirbelsäule auf

5. Es ist ein Sinnesorgan: Es fühlt und ist lebendig

 

 Jetzt geht´s ans Gestalten!

 

Stellen wir uns einfach mal vor, wir wären der liebe Gott und uns stünde das spannende Projekt bevor, einen menschlichen Körper zu bauen. Einen Körper, der sitzen, liegen, laufe, springen, tanzen, kämpfen und lieben und all die anderen wunderbaren Sachen mache kann, die wir für gewöhnlich tun. Das allein ist aber noch nicht genug. Die zweite Herausforderung wird sein, einen Körper zu bauen, der fühlen kann. Schließlich soll der Mensch keine leblose Maschine werden, sondern ein fühlendes, lebendiges Wesen, das in der Lage ist Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und sein Leben selbstständig zu gestalten.

 

 Bauanleitung für den menschlichen Körpers:

 

 Material:

  •  ca. 25 Kg Muskelmasse
  • 15 bis 20 Kg Bindegewebe
  • ca. 200 Knochen
  • 650 Muskeltütchen
  • mehrere elastische lange Bänder aus Bindegewebe ca. 200 cm.
  • Ganzkörpertaucheranzug
  • Messfühlerchen (Sensoren)
  • 15-20 KG Fett (je nachdem ob Mann oder Frau)
  • 1,9 m2 Haut

Wir brauchen also zunächst einmal ein Material, dass dieser  unästhetischen Masse von oben  eine Form gibt. Irgendetwas netzartiges das elastisch, dehnbar und reißfest zugleich ist.

 

Wir Googlen ein bisschen herum und stoßen auf ein höchst spannendes Material: Das Muskuläre Bindegewebe, dass diese Eigenschaften alle erfüllt.

 

Dann bestellen wie meterweise Stoff von diesem Bindegewebe und fertigen 650 (so viel Muskeln haben wir im Körper) kleinere und größere Beutelchen mit unterschiedlicher Länge und Breite an.

 

Jetzt nehmen wir ein bisschen von unserer Muskelmasse und formen kleine Wülstchen. Die sogenannten Muskelfasern. Diese "Muskelfaserwülstchen" ummanteln wir ebenfalls mit einer dünnen Schicht Bindegewebe. Danach nehmen wir mehrere ummantelte Würstchen zu einem Bündel zusammen und umwickeln dieses nochmal mit Bindegewebe. Von diesen Bündeln stecken wir so viele in einen der Bindegewebigen Beutel, die wir vorhin angefertigt haben, bis nichts mehr hineinpasst und alles schön umhüllt ist. Tataa. Der Erste Muskel mit seiner Faszie ist geboren, wir nennen ihn einfach mal den

Bizepsmuskels, den kennt jeder!

 

So, und das gleiche machen wir noch 649-mal, so dass wir alle Muskeln des menschlichen Körpers geformt, und eingehüllt haben.

 

Schritt 3:  Der Bauplan

 

Jetzt legen wir diese Muskeltütchen in einer exakt vorgegebenen Reihenfolge und Anordnung an das Knochenskelett. Aufpassen müssen wir, dass der Po nicht auf einmal im Gesicht hängt oder gar das Gesicht am Hintern. Also alles ganz genau nach Plan auf das Skelett legen!

 

So das sieht doch schonmal ganz gut aus! Nur hinstellen können wir unseren Menschen noch nicht. Würden wir das Skelett auf seine beiden Beine stellen, dann würden die ganz feinsäuberlich hingelegten Muskeln einfach nach unten abrutschen und die ganze Arbeit wäre umsonst.

 

Wir brauchen also etwas, dass unsere kleinen Muskelbeutelchen an das knöcherne Skelett fixiert und die Beutelchen miteinander verbindet.

 

Da wir kreativ sind haben wir dafür natürlich gleich eine Idee.

 

Schritt 4. Muskeln ans Skelett fixieren

 

Wir fertigen aus dem gleichen Bindegewebsmaterial diesmal keine Tütchen, sondern lange elastische Bänder an. Ähnlich einem Terraband.

 

Mit diesen langen elastischen Bändern fixieren wir alle Muskeltütchen am Kochen. Und zwar immer von der Fußsohle bis zum Kopf.  Das sind die sogenannten Faszientrains oder Anatomietrains, die Tom Meyers entdeckt hat. Wir beginnen mit der innersten Schicht, der tiefsten Muskulatur, auch Kernstrukturen genannt, die direkt mit der Wirbelsäule verbunden sind. (Siehe Bilder) Dann arbeiten wir uns Schichte für Schicht nach außen. Einmal vorne, einmal hinten einmal an jeder Seite und auch diagonal. Sicher ist sicher. Diese Zugbahnen geben auch gleich die Bewegungsrichtungen vor, die der Körper später  machen kann. Gleichzeitig begrenzen sie das Bewegungsausmaß und machen das Skelett unglaublich stabil.

 

 

Nach dem wir das gemacht haben, können wir unseren Menschen zu mindest schon mal hinstellen. Da rutscht jetzt nichts mehr ab. Allerdings gibt es ein weiteres Problem. Der Körper hat die Form eines Menschen aber diese Form hält nicht bei Bewegung. Die elastischen Bandagen würden bei Bewegung einfach abspringen und verrutschen. Ähnlich einem schlechtsitzenden Verband.

 

Damit das nicht passiert greifen wir nochmals in die Trickkiste. Um alles miteinander zu fixieren und zu umhüllen schneidern wir aus dem Bindegewebsstoff einen Ganzkörpertaucheranzug. Oder Catsuit. Je nach dem was uns mehr zusagt. Diesen Ganzkörpertaucheranzug ziehen wir über all das, was wir bisher gemacht haben. So wird alles in allem noch einmal fixiert, damit bei Bewegung und auch extremen Bewegungen alles hält und nichts verrutscht. Nicht dass es beim Yoga auf einmal PLING macht!

 

Dann kleistern wir eine Isolierschicht Fett auf den Taucheranzug. Darüber eine Lage lockeres Bindegewebe und überziehen das alles mit der Haut. Fertig ist der Mensch.

 

Wenn ich mir das so durchlese wird mir klar, dass 1/3 unseres Körpergewichtes unser Bindegewebe ausmacht. 18 bis 23 Kg Bindegewebe trägt jeder Mensch mit sich herum. Unvorstellbar, dass das so lange übersehen werden konnte.

 

Dieses Bindegewebe sorgt dafür, dass die Muskeln und Organe reibungslos aneinander gleiten können bei Bewegung und alles an seinem Platz bleibt. So entsteht ein geschmeidiger, elastischer, federnder Gang, den man noch bei Kindern beobachten kann. Es dienst auf als Puffer, Versorger und Ernährer. Es beherbergt Blutgefäße, Nerven und Lymphgefäße.

 

Wie wir alle am eigenen Leib erfahren haben, kann das Bindegewebe im Laufe der Jahre und durch diverse Umstände verfilzen und verkleben. Dann werden aus der einst so geschmeidigen Gang von früher ein ehr steifes und unelegantes Dahinwatscheln.

 

Der größte Feind des Bindegewebes sind übrigends Bewegungsmangel und Stress. Hierzu werde ich aber nochmal ein extra Thema schreiben.

 

5. Dem Körper Gefühl einhauchen:

 

Die letzte Herausforderung steht uns noch bevor. Packen wir´s an!

Wie sollen aus diesem menschlichen Avatar ein fühlender Körper werden?  Wir brauchen also etwas das Reize von außen aber auch von innen wahrnehmen und messen kann.

 

Auch dafür gibt es eine Lösung. Diese Messfühlerchen nennen sich ganz allgemein Propriozeptoren. Davon gibt es 5 Stück mit unterschiedlichen Aufgaben. Wir bauen überall in die Faszien diese winzigen Meßfühlerchen ein, die vor allem auf Druck und Dehnung reagieren und verbinden diese direkt mit dem Gehirn. Als Transportmittel dieser Informationen dient uns die Flüssigkeit welches durch das körperweite Fasziennetz zirkuliert (Die Telekom wäre neidisch über die Leitgeschwindigkeit dieses Kommunikationswunders!) Ganz viele dieser kleinen Meßfühlerchen davon siedeln wir um die Gelenke herum an. Diese Sensoren sammeln Informationen über die Lage der einzelnen Gelenke im Raum und über Muskellänge und Muskelspannung. Das Gehirn leitet dann Befehle an die Muskeln wie sie sich anspannen, entspannen und gegensteuern müssen, damit der Körper beim Gehen im Gleichgewicht bleibt und nicht dahinstolpert.

 

 

Propriozeptoren befinden sich vor allem in den Gelenkkapseln. (Frischhaltefolie) Sie geben dem Hirn die Lage und Stellung der Gelenke durch.
Propriozeptoren befinden sich vor allem in den Gelenkkapseln. (Frischhaltefolie) Sie geben dem Hirn die Lage und Stellung der Gelenke durch.

Im Gehirn, im limbischen System, wird dann das ganze Sammelsurium an Reizen zu einem globalen Gefühl umgewandelt. 

 

So entsteht das, was wir als Körpergefühl bezeichnen. 

 

Sind die Informationen durchwegs positiv so haben wir ein gutes und sicheres Körpergefühl. Wir fühlen uns  beweglich und wohl in unserer Haut, haben keine Schmerzen, fühlen uns mit der Welt und anderen Menschen verbunden und strahlen von innen heraus. 

 

Empfängt das Gehirn ehr negative Informationen aus den Faszien, so entsteht ein weniger gutes Körpergefühl. Wir fühlen uns unsicher, unleidig, steiff, unverbunden, und gefühllos. Sprich, wie eine graue Maus

 

Merke: Willst Du Dich wohl, frisch und jugendlich fühlen so musst Du Dein Fasziennetz regelmäßig pflegen und warten. (Oder Dir ab und zumal eine Faszientherapie gönnen;-)

 

Zusammengefasst kann man sagen: Die Muskelfaszien sind die bindegewebigen Hüllen der Muskulatur, die sich in verschiedenen Zugbahnen und Lagen durch den Körper ziehen und diesen umhüllen, formen und spannen. Faszien geben dem Skelett halt und richten die Wirbelsäule auf! (Das ist mir beim Nachbauen nochmal am meisten bewusst geworden!) Sie sind ein Bett für Nerven und Blutgefäße. Es sorgt für reibungslose Bewegung, ist Stoßdämpfer und Versorger.

 

Faszien sind lebendig, weil sie mit Millionen Sinneszellen gespickt sind. Das Gehirn ist regelrecht begierig Informationen aus den Faszien zu bekommen, weil es dann den Muskeln Befehle geben und ein bestimmtes Körpergefühl erzeugen kann.

 

 

Um lange Freude an Deinem Körper zu haben ist es sehr sinnvoll dich zu bewegen, regelmäßig zu entspannen oder zu meditieren, deine Muskeln zu trainieren und Deine Faszien zu warten.

 

Im nächsten Blogartikel werde ich darüberschreiben, wie Stress auf unsere Faszien wirkt und warum man chronische Rückenschmerzen nicht einfach schnell mal wegmassieren kann.  Ich zeige ein paar einfache, geniale Übungen wie Du lernen kannst besser mit Stress umzugehen und so Deine Verspannungen in den Griff bekommst;-) 

 

Jedenfalls kannst Du jetzt mal dem Künstler in Dir auf die Schulterklopfen. Denn Du hast Dein Kunstwerk zum Ende gebracht und verstehst hoffentlich jetzt ein bisschen mehr davon, wie der Mensch aufgebaut ist und funktioniert.

 

Bleib neugierig

 

Herzlich Larissa

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Antje Fritzsching (Sonntag, 12 Juli 2020 16:14)

    Super erklärt. Vielen lieben Dank dafür�

  • #2

    Faszienatelier (Montag, 13 Juli 2020 17:27)

    Hallo Antje, du hast es tatsächlich bis zum Schluss geschafft;)
    Vielen lieben Dank für Dein Feedback das freut mich sehr.

  • #3

    Joanna Wessing (Montag, 28 September 2020 09:58)

    Hallo Larissa,
    dass mir das Ausrollen und Trainieren meiner Faszien guttut, habe ich schnell gemerkt. Aber wie wichtig Faszien für unseren ganzen Körper sind, war mir dann doch noch nicht so wirklich klar. Das hast Du wirklich sehr gut erklärt!

    Schreibst Du noch an Deinem nächsten Artikel? Die Verbindung zwischen chronischen Rückenschmerzen und Dauer-Stress finde ich nämlich auch super interessant. Würde da gerne mehr drüber lesen. :)

  • #4

    Lotte (Dienstag, 29 September 2020 22:11)

    Einfach großartig. Ich verstehe jetzt viel mehr!!!